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Der Wortschatzsammler

Therapiekonzept zur Erweiterung des Wortschatzes
(nach Motsch et al., 2018)

In unseren Einrichtungen fördern und therapieren wir Kinder und Jugendliche, welche Schwierigkeiten in unterschiedlichen Bereichen haben. Manche verstehen die gesprochene(n) Sprache(n) nicht gut, manche finden sich in der Grammatik nicht zurecht, wieder andere verwechseln einige Laute und werden selbst oft schwer verstanden. Oftmals jedoch stellt sich eine Problematik klar in den Vordergrund: ein zu geringer Wortschatz. Dabei fehlen Wörter, um Dinge, Handlungen und Zustände konkret beschreiben zu können.

„Dingsbums“, „das da“, „…wenn man das so macht…!“, „Nein, das meine ich nicht!“, „Ich kann das nicht…!“, „Ich weiß das nicht!“ sind einige Beispiele, bei denen das Kind direkt und indirekt zeigt, dass der fehlende Wortschatz die Kommunikation beeinflusst. Es kann zu Frustration, Sprechverweigerung, Aggression und/oder Verhaltensauffälligkeiten kommen, wenn sich die Kinder über einen längeren Zeitraum nicht verstanden fühlen und sich verbal nicht ausreichend mitteilen können.

Um dem entgegenzuwirken, gibt es einige Therapieansätze, die helfen können den Wortschatz der Betroffenen langfristig zu erweitern. Einer soll im Folgenden kurz erklärt und veranschaulicht werden: „Der Wortschatzsammler“

Material Wortschatzsammler

Dieses evaluierte Therapiekonzept nach Motsch et al. (2018) hat nicht zum Ziel, dass in der Therapie alle fehlenden Wörter gelernt werden sollen. Vielmehr geht es hierbei um das Vermitteln von Strategien, die das Kind später selbstständig im Alltag anwenden kann, um eigenhändig unbekannte Wörter zu lernen und abzuspeichern.

Zielgruppe

Geeignet ist dieses Konzept für Kinder ab 4 Jahren und kann auch noch bei Schulkindern bis bspw. 4./5. Klasse angewandt werden. Der Wortschatzsammler kann den Wortschatz bei Kindern und Jugendlichen mit Sprachentwicklungsstörungen, einer leichten Lernbehinderung und bei Mehrsprachigkeit erweitern.

Vorgehen

Der Wortschatzsammler soll den Kindern helfen, folgende drei Fragen zu klären:

  1. Welche Gegenstände/Tätigkeiten/ Zustände etc. kann ich nicht konkret benennen?
  2. Was kann ich tun, um herauszufinden, wie sie konkret heißen?
  3. Wie kann ich mir die neuen Wörter langfristig merken?

Gelernt wird hierbei am „Modell“ bzw. am Vorbild des Piraten Tom.

Stoffpuppe Tom

Zu jeder Therapiestunde entdecken Tom und das Kind eine Schatztruhe voll mit Schätzen, die der Pirat auf seinen Reisen für die Kinder gesammelt hat.

Schatztruhenbeispiel   Schatztruhenbeispiel
Schatztruhenbeispiele „Arzt“ und „Büro“

 1. Welche Gegenstände/Tätigkeiten/ Zustände etc. kann ich nicht konkret benennen?

Gemeinsam werden die Substantive (Gegenstände) und Verben (über Bildkarten dargestellt) angeschaut und es wird geklärt, welcher Gegenstand/ welche Bildkarte für das Kind einen „Schatz“ darstellt. Entscheidend hierbei ist, dass nur die Gegenstände für das Kind Schätze sind, die es nicht beim Namen nennen kann. Ist der Name eines Gegenstandes dem Kind bekannt, ist es nicht sein Schatz und Tom darf ihn in seinen Schätzebeutel packen.

Die Schatztruhe wird erkundet
Die Schatztruhe wird erkundet. Alle Gegenständer werden ausprobiert und zwischen Tom und dem Kind aufgeteilt.

Am Ende haben Tom und das Kind ungefähr gleich viele Schätze gesammelt. Durch diesen Vorgang werden unbekannte Dinge und ein fehlender Wortschatz positiv besetzt. Das Kind beginnt sich nicht mehr dafür zu schämen und wird wieder neu motiviert neue Wörter zu lernen.

Danach wird geschaut, wer welche Schätze in seinem Beutel hat und alle Gegenstände werden dann (noch einmal) gemeinsam erkundet und ausprobiert. Wie sehen sie aus? Was kann man damit machen? Wie fühlen sie sich an? Wo habe ich das schon einmal gesehen? usw.

Kind schaut im Beutel nach welche Schätze es gesammelt hat  und welche Schätze hat Tom gesammelt

 2. Was kann ich tun, um herauszufinden, wie die Gegenstände/Tätigkeiten etc. konkret heißen?

Nach dem Erkunden der Gegenstände und Bildkarten kommt es nun zur Klärung der konkreten Bezeichnung: Wie heißt das? Hier zeigt Tom, dass es nicht schlimm ist, jemanden zu fragen. In den ersten Therapiestunden trauen sich die Kinder oftmals noch nicht, die Eltern, den Therapeuten oder Tom selbst zu fragen. Das wird von Tom übernommen, der dadurch den Kindern die Angst nimmt, durch das Fragen zu offenbaren, dass man etwas nicht weiß. Die Kinder werden meist schon in der zweiten Therapie mutiger und scheuen sich nicht mehr davor, nach den Namen der Gegenstände und Verben zu fragen.

Kinde und Tom überlegen gemeinsam wie die Dinge heißen  Das Kind und Tom versuchen alles zu benennen
Puppe Tom: „Ich weiß auch nicht, wie das heißt. Wen können wir fragen?“

 

3. Wie kann ich mir die neuen Wörter langfristig merken?

Damit die neuen Wörter nicht wieder so schnell vergessen werden, was häufig ein Problem für die Kinder darstellt, zeigt Tom eine simple Methode, wie das verhindert werden kann: Die Wörter werden wiederholt. Dies kann in unterschiedlichen Formen ausgeführt werden. Wenn es ein recht langes Wort ist oder das Kind die Silbenlänge verändert (z.B.: aus „Otoskop“ wird „Toskop“), dann wird das Wort gesprochen und dazu im Silbenrhythmus gehüpft oder geklatscht. Dies wird dreimal wiederholt. Eine andere Möglichkeit, das Wort „in den Kopf zu zaubern“, ist mittels eines Zauberstabes. Auch hierbei wird das Wort dreimal gesprochen, allerdings hilft nun ein Zauberstab dabei, den neu gelernten Begriff „in den Kopf zu zaubern“.

Tom ist ein Zauberer
Tom: „Komm, wir zaubern das Wort in unseren Kopf: Stetoskop! Stetoskop! Stetoskop!“

Zum Schluss werden die Begriffe von einem Freund von Tom „kontrolliert“: dem Zauberer.

Zauberer mit Zauberstab

Er überprüft, ob die neu gelernten Strategien und Wörter vom Kind abgerufen werden können und entscheidet anstelle des Therapeuten, ob die Gegenstände und Bildkarten in kleine Abbildungen verzaubert und mit dem Kind in seinen Wortschatz-Hefter geklebt werden.

Zauberer Tom spricht mit dem Kinde
Zauberer: „Was macht man damit?“ Kind: „Man kann das Herz hören“. Zauberer: „Genau! Und weißt du noch, wie das heißt?“ Kind: „Ja, Stetoskop!“ Zauberer:„Prima! Dann verzaubere ich das Stetoskop in ein kleines Bild für dich!“

Die Wortschatzsammler-Therapie wurde bisher von allen Kindern gut aufgenommen. Mit Tom haben alle viel Spaß und verlieren sehr schnell ihre Angst und mögliche Hemmungen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der Fokus nicht auf den einzelnen Wörtern liegt sondern auf dem Erlangen der Lern-Strategien. Dadurch wird es dem Kind ermöglicht, auch außerhalb der Therapie schnell neue „Schätze“ zu sammeln und den Wortschatz stetig, selbstständig, langfristig und mit viel Freude zu erweitern.